Michael Hecken | Unternehmer | HNF NICOLAI

Michael Hecken | Unternehmer | HNF NICOLAI

Interview

Es war schon eine gehörige Portion Mut dabei, als Michael Hecken im Jahre 2003 Biesenthal besuchte und nur zwei Wochen später im Grundbuch als Inhaber der Wehrmühle eingetragen war. Michael Hecken lebte damals in London. Für ein Wochenende zu Besuch in Berlin, wollte er sich im Oderbruch die zugefrorene Oder angucken. Auf dem Rückweg nach Berlin kam er in Biesenthal vorbei. Nur eine Woche später brach er erneut von London auf. Das gemütliche Naturparkstädtchen Biesenthal hatte es Michael angetan. Auf einer Erkundungstour durch den Ort entdeckte er die Wehrmühle, die seit dem 14. Jahrhundert namentlich erwähnt ist. Er kaufte das an der Finow gelegene Grundstück mit baufälligen Gebäuden. Seither ist viel passiert und der smarte Unternehmer aus Oberwinter bei Bonn hat das marode Grundstück zu einem angesagten Treffpunkt für Kunstinteressierte gestaltet.

Die Wehrmühle ist jedoch nicht nur ein Kultur-Hotspot. Mit viel Unternehmergeist, Kreativität und Ausdauer wurden in ihr die Fahrräder der E-Bike-Firma Grace designt, die Michael Hecken im Jahre 2008 gründete. Die Grace GmbH entwickelte weltweit das erste Serien-E-Motorbike und smart E-Bike. Im Jahre 2012 verkaufte er die Grace GmbH. Gemeinsam mit Kalle Nicolai und Benjamin Börries, mit denen er bereits bei Grace neuartige und erfolgreiche E-Bike-Konzepte entwickelt und umgesetzt hatte, gründete er HNF Nicolai. Wir haben den sympathischen Unternehmer in seinem wunderschön restaurierten Anwesen besucht und mit ihm über das Projekt „Wehrmühle“ und seine Geschäftstätigkeit bei HNF Nicolai gesprochen.

Wie war der Kontrast zwischen der 9.000.000 Einwohner Metropole London und dem 6.000 Einwohner Städtchen Biesenthal?

Dank Berlin ist der Kontrast nicht allzu groß. Ich muss aber auch zugeben, dass ich nicht hierher gezogen wäre, wenn die Wehrmühle am Oderbruch gelegen hätte. Ich brauche einfach die Nähe zu Berlin. Ohne diese würde mein Lebenskonzept hier nicht aufgehen. Da ist die Stadt Biesenthal mit ihrer Lage aber auch ein absolutes Unikum.

Wie hat sich die Wehrmühle entwickelt, nachdem Du das Grundstück gekauft hast? Die war ja kurz zuvor abgebrannt und sicherlich in keinem guten Zustand.

Die Wehrmühle war im August 2002 abgebrannt und ich habe quasi diesen Schutthaufen übernommen. Hier war auch eine einzige Müllkippe mit zig Kühlschränken und Asbestplatten im Garten. Wir haben mindestens 1.000 Tonnen Müll entsorgt. Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen. Die Bauphase ging zwei Jahre. Im März 2006 bin ich in das Haus eingezogen und dann haben wir zehn Jahre an der Wehrmühle rumgebastelt. Vor drei Jahren haben wir entschieden, dass sich die Nutzung ändern muss. Stromrechnungen müssen gezahlt werden, ein Bankkredit ist zu bedienen und gerade ist ein Dach kaputt. Das kostet alles wahnsinnig viel Geld.

 

 

Welche Pläne habt Ihr mit der Wehrmühle?

Wir wollen in Zukunft mehr Menschen in die Wehrmühle einbinden. Laut Flächennutzungsplan von 1997 ist die Wehrmühle ein Sondergebiet für „Gastronomie, Beherbergung und Mühlenmuseum“. Deshalb wollen wir künftig auch in den weiteren Ausbau der Wehrmühle zur Kulturimmobilie investieren.  Sie ist einfach ein toller Ort für Events, Kunstausstellungen oder auch kleinere Seminare und Kongresse. Und was uns in der Stadt Biesenthal auch fehlt, sind Übernachtungsmöglichkeiten. Die Leute, die hierher kommen, müssen abends wieder abreisen. Deswegen wird die Zukunft der Wehrmühle darin liegen, Übernachtungsmöglichkeiten anzubieten, um somit auch eine Anlaufstelle für die zahlreichen Fahrradtouristen zu sein.  Für unser Konzept müssen wir aber noch viel Überzeugungsarbeit bei den Biesenthalern, den Ämtern und den Stadtpolitikern leisten.

Bietet Ihr in der Wehrmühle schon ein paar Übernachtungsmöglichkeiten an?

Im Moment noch nicht – wie gesagt: noch nicht! Wir haben sechs Zimmer umgebaut und einzeln an Freunde vermietet. Wir haben aber ziemlich schnell festgestellt, wie aufwendig die Vorbereitung der Zimmer und die Logistik ist. Also haben wir die Vermietung nach einem Sommer wieder aufgegeben. Einzelvermietungen funktionieren einfach nicht. Deswegen möchten wir in Zukunft gerne etwa 30 Zimmer anbieten, die in ihrer Qualität den Ansprüchen der Wehrmühle Rechnung tragen. Daran arbeiten wir derzeit intensiv, auch in Nebengebäuden. Design und Nachhaltigkeit hängen dabei natürlich eng zusammen. Wir sind kein Luxus und die Wehrmühle wird immer dafür stehen, nachhaltig zu sein. Jedoch kann die Location schon heute für besondere Anlässe und Projekte komplett gemietet werden. Zu diesem Zweck haben wir zusammen mit Partnern auch die Wehrmühle Location UG gegründet.

Wie sieht die Zukunft der Wehrmühle aus?

Diese Wehrmühle ist 650 Jahre alt. Im Grundbuch bin ich als 35. Müller eingetragen. Ich trage hierfür die Verantwortung und liege oft abends im Bett und überlege, wie es mit ihr weitergeht. Feststeht, dass es künftig in der Wehrmühle zwei Sachen geben wird: Die Wehrmühle wird erstens für kleinere hochwertige Veranstaltungen genutzt und zweitens eine Übernachtungsmöglichkeit sein. Idealerweise können Gäste von unterwegs über eine App ein Zimmer buchen und am nächsten morgen im renovierten alten Sacklager das Frühstück genießen. Wir müssen hier keinen riesen Aufwand betreiben. Wir planen ja lediglich 30 Zimmer. Also alles machbar. Die Wehrmühle soll ein Ort der Kunst, Kultur und niveauvollen Events werden, der für jedermann zugänglich ist.

Kunst ist das richtige Stichwort. Kannst Du uns was von der ART Biesenthal erzählen? Was hat Dich motiviert und inspiriert?

Die Verbindung von Kunst und Natur ist eine Design- bzw. Stilfrage. Dennoch haben wir instinktiv entschieden, in der Wehrmühle in den nächsten Jahren regelmäßig im Sommer die Open Air ART Biesenthal zu veranstalten. Das lief hier früher echt gut. Die Künstler, die wir in den letzten Jahren gewonnen haben, sind auf einem international hohen Niveau. Für vergleichbare Events geben manche Gemeinden große Summen an Fördermitteln aus.  Die Künstler kommen, weil sie es toll finden, dass ihre Kunst in der Natur an so einem besonderen Ort ausgestellt ist.

Neben dem Projekt „Wehrmühle“ hast Du ja als Geschäftsführer von HNF Nicolai zusätzlich ein E-Bike-Unternehmen zu managen. Wie bist Du zum E-Bike gekommen?

Ich habe damals ein kleines Call Center in Biesenthal aufgemacht. Das passte überhaupt nicht zu mir: ein Call Center, furchtbar! Das wollte ich nicht. Ich wollte als Jugendlicher aber immer Designer werden. Außerdem hatte ich mich schon immer mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandergesetzt. Ich habe also überlegt, was ich designen könnte. Die Entwicklung eines Elektroautos wäre viel zu kompliziert und zu teuer gewesen. Die eines E-Bike hingegen konnte ich mir leisten. Ich habe damals den letzten Groschen in die Hand genommen und in das Fahrradprojekt investiert. Dann habe ich Grace gegründet. Ich hatte damals den richtigen Riecher. Heute ist das ein riesen Markt. Ich habe als Pionier angefangen und dann haben mich alle links und rechts überholt. Die Großen machen heute die Milliarden und wir sind die Kleinen und müssen uns gegen die Großen behaupten. Das ist krass!

Wie ist HNF Nicolai aus Grace erwachsen?

Grace habe ich damals an die größte deutsche Fahrradfabrik, das ostdeutsche Unternehmen Mifa, verkauft. Die sind dann drei Jahre später durch einen Bilanzskandal insolvent gegangen. Die haben leider mein Unternehmen komplett runtergerissen. Das war 2015. Eine schlimme Zeit für mich.

Es muss traurig sein, wenn das Unternehmen, das man aufgebaut hat, zugrunde gerissen wird. Wie bist Du damit umgegangen?

Traurig ist, wenn Du hier am Fahrradweg sitzt und Grace-Fahrräder an Dir vorbeifahren. Die Leute wissen gar nicht, dass die mal hier in der Wehrmühle designt wurden. Sie denken, dass die von einer amerikanischen Firma entwickelt wurden. Aber nein, die Räder sind in der Wehrmühle entstanden. Aber ich bin Unternehmer und kann den Kopf nicht in den Sand stecken. Nun geht es auch bei HNF Nicolai darum, etwas zu kreieren, das in 10 Jahren noch funktioniert. Ich habe E-Bikes, die seit acht Jahren auf dem Markt sind. Gebraucht haben sie immer noch einen hohen Marktwert, weil sie schlicht designt und mit hoher Qualität hergestellt sind. Der Wertverlust der E-Bikes vieler Konkurrenten ist nach acht Jahren immens, unter anderem weil diese oft weniger hochwertige Motoren einbauen oder man keine Ersatzteile mehr bekommt. Wie bei der Wehrmühle geht es auch bei HNF Nicolai von Anfang an um Nachhaltigkeit.

Ist Biesenthal ein guter Standort für HNF Nicolai?

Ja und nein. Einerseits lebe ich in Biesenthal und schätze die kurzen Wege. Auch hat es Vorteile den Unternehmenssitz in einer Region zu haben, die mitunter von Fahrradtourismus geprägt ist. Andererseits sind wir hier auch mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Wir brauchen zum Beispiel immer mehr Büroflächen, die ich hier jedoch nicht finde. Auch ist es schwer Fachleute zu finden. In Bitterfeld machen wir aktuell ein neues Werk auf, in dem wir ausschließlich das Customizing realisieren. In dem Werk werden die Räder auf die einzelnen Kunden maßgeschneidert. Die Halle ist beheizbar und wir haben eine unmittelbare Anbindung an die Autobahn. Der Hauptsitz bleibt aber in jedem Fall in Biesenthal.

Neben Deinem Projekt Wehrmühle und Deiner Geschäftsführerfunktion bei HNF Nicolai hast Du doch hoffentlich noch Zeit, um in der schönen Umgebung auszuspannen und Kraft zu tanken. Wo ist Deine geheime Lieblingsecke im Naturpark Barnim?

Da wäre ich doch verrückt, wenn ich die verrate. Nein. Meine Lieblingsecke ist das Naturschutzgebiet Finowtal Pregnitzfließ, nördlich von Biesenthal. Da ist meine Seele. Mit meinem Hund bin ich, wie kaum ein anderer, dort unterwegs. Ich wandere dort zu jeder Jahreszeit und verbringe Stunden in dem Gebiet. Im Herbst wandere ich die meisten Strecken. Das Naturschutzgebiet Biesenthaler Becken, im Süden von Biesenthal, ist aber auch wunderschön. Man hat da seine Ruhe. So viel Natur in der Nähe der Großstadt. Wo gibt es das sonst?

Wo gehst Du am Liebsten hin, wenn Du Lust auf Kaffee und Kuchen hast?

Dann gehe ich auf jedenfall ins Café Auszeit. Aber ich bin kein Kaffee-Kuchen-Mensch und gehe lieber zum Mittagstisch dahin. Sollte ich mal wieder machen!

Danke Dir, Michael, für das spannende Gespräch!

 

Fotos:  © Tourismusverein Naturpark Barnim e. V. / Elena Koroleva

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